Der Staat als Mechanismus menschlicher Weisheit

Heinz-Joachim Müllenbrock über das Konservative Denken bei Edmund Burke und Benjamin Disraeli

Heinz-Joachim Müllenbrock bei seinem Vortrag

Heinz-Joachim Müllenbrock

Sind der „Vater des Konservatismus“ Edmund Burke und der Publizist und englische Premier Benjamin Disraeli heute noch anschlußfähig? Was zeichnete ihren Konservatismus aus, welche konservativen Positionen vertraten Sie? Mit diesen grundsätzlichen Fragen setzte sich der emeritierte Göttinger Anglist Heinz-Joachim Müllenbrock am 14. Januar 2016 in der Bibliothek des Konservatismus vor rund 50 Zuhörern auseinander.

Müllenbrock stellte zuerst Burke und Disraeli jeweils kurz biographisch vor, um sich dann intensiv mit ihren publizistischen Werken zu befassen. Anschließend ordnete er beider Werk historisch ein, schilderte ihre bis heute gültigen Positionen im Konservatismus und diskutierte die Möglichkeiten, Burkes und Disraelis Denken für die heutige Zeit nutzbar zu machen.

Edmund Burke (1727-1787) wirkte als Mitglied des britischen Unterhauses vor allem durch seine Reden und politischen Kampfschriften, deren berühmteste, die „Reflections on the Revolution in France“ („Betrachtungen über die Französische Revolution“), ihn mit einem Schlag auf dem gesamten europäischen Kontinent berühmt machte. Die Schrift war ein scharfe Kritik an den Vorgängen der Französichen Revolution. Burke setzte hier sein ganzes rhetorisches und polemisches Geschick ein und sprach von einer „Kannibalenphilosophie“ der Revolutionäre, die er auch mit Wilden (savages) gleichsetzte.  Für Burke waren, so Müllenbruck, mit der Glorious Revolution in England, die Grundlagen für einen guten Staat gelegt, welcher in der Dreiteilung von König, Oberhaus und Unterhaus jene stabilen Ordnung hervorgebracht hatte, die den besten Schutz sowohl gegen Despotismus, als auch vor der Herrschaft des Pöbels sei. Für Burke war der Staat, so Müllenbrock, ein „Mechanismus menschlicher Weisheit zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse“.

Benjamin Disraeli (1804-1881) war 1868 und von 1874 bis 1880 englischer Premierminister und setzte in seiner sogenannten „Tory-Demokratie“ eben jene konservative Politik um, die er zuvor auch in seinen Schriften propagiert hatte. So machte er zunächst in seinem Roman „Sybil or The Two Nations“ (1845) die soziale Frage zu einem Anliegen konservativer Politik und setzte dies in ein Bündnis des Adels mit den Arbeitern um. Durch diese Verbindung gegen das liberale Bürgertum und deren Partei, der Whigs, konnte Disraeli seine sozialen Reformen durchsetzen. Bekannt wurde auch seine Rede im Londoner Kristallpalast von 1872, welche den Imperialismus auf die politische Tagesordnung setzte.

Beide, Burke wie Disraeli, übten als Politiker nicht zuletzt durch ihr rhetorisches Geschick Einfluß aus und erzielten darüber hinaus eine publizistische Wirkung, die bis heute anhält und im Konservatismus (besonders natürlich im Angelsächsischen) immer wieder rezipiert wird. So bleibt festzuhalten, so Müllenbrock, daß beiden Denkern die bis heute gültige, konservative Einsicht gemein war, daß objektiv richtiges politisches Handeln nur in der Einebettung in den Staat möglich sei und nur über diesen Politik für die Bedürfnisse der Menschen gemacht werden könne. Ihre Vernunftskepsis und die damit verbundene Kritik an rein rationalistischer, auf  Plan- und Machbarkeit ausgerichteter Politik, welche wider die objektiven Realität und die menschlichen Natur gerichtet sind, macht Disraeli und Burke auch heute noch brandaktuell, gerade in Hinsicht auf Grenzen und Möglichkeiten staatlichen Handelns und Nicht-Handelns.

 

Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) ist ein Ort konservativen Denkens und Schaffens in Berlin. Sie dient gleichermaßen dem Sammeln und Erhalten konservativer Literatur, wie der Weiterentwicklung konservativen Gedankenguts durch Vorträge und Publikationen.

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