Den Staat nicht aus seiner Pflicht entlassen

Hartmuth Becker über das Daseinsvorsorgekonzept von Ernst Forsthoff

Hartmuth Becker

Hartmuth Becker

Der Staatsrechtler Ernst Forsthoff (1902–1974) entwickelte in seiner Schrift „Die Verwaltung als Leistungsträger“ den bis heute verwendeten Begriff der Daseinsvorsorge. In der Bibliothek des Konservatismus erläuterte Hartmuth Becker am 25. Juni 2015 dieses Konzept, das er unlängst in einem breitangelegten Werk vor einem wissenschaftlichen Fachpublikum entfaltet hatte. Dabei stellte er insbesondere die Bedeutung der Daseinsvorsorge für den deutschen Staat und seine Einschränkung durch europäische Strukturen heraus.

Der moderne Industriestaat habe demnach die Aufgabe, in bestimmten Bereichen als Monopolist zu handeln, um bestimmte Güter zur Verfügung zu stellen. Zu Forsthoffs Zeiten waren dies u. a. der Energiesektor, die Luftfahrt, Post und Telekommunikation sowie die Verkehrsinfrastruktur. Die Daseinsvorsorge solle es, so Becker, den Bürgern ermöglichen, an diesen Gütern teilzuhaben, ihnen aber nicht ihr eigenes Risiko abnehmen. Daseinsvorsorge bedeute also nicht, soziale Wohltaten zu verteilen, sondern den Zugang zu Bereichen, in denen es erfahrungsgemäß zu Marktversagen komme (Wasserversorgung, Straßen, Verkehrsmitteln usw.), zu gewährleisten. Daher, so Becker, war Ernst Forsthoff ein entschiedener Gegner eines überbordenden Sozialstaates, den er als Staatszielbestimmung sogar ablehnte. Nicht „allgemeine Alimentierung“, sondern „allgemeiner Zugang“ sei der Kern des  Daseinsvorsorgekonzeptes.

So sei die Infrastruktur nicht durch den Markt, sondern eben nur durch den Staat für alle Bürger zu gewährleisten. Das Daseinsvorsorgekonzept, das in diesen und anderen Bereichen in Deutschland jahrzehntelang funktioniert habe, sei durch die supranationale europäische Entwicklung jedoch eingeschränkt und insgesamt gefährdet. Die umfassende Privatisierung, die durch die Europäische Kommission forciert werde, führe zu erkennbaren Fehlentwicklungen und Verwerfungen im Wirtschaftssystem. Laut Becker könne letztlich nur ein Rückfluß an Souveräntät zu den Mitgliedsstaaten diese Entwicklungen aufhalten und das bewährte Konzept der Daseinsvorsorge für Deutschland bewahren.

Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) ist ein Ort konservativen Denkens und Schaffens in Berlin. Sie dient gleichermaßen dem Sammeln und Erhalten konservativer Literatur, wie der Weiterentwicklung konservativen Gedankenguts durch Vorträge und Publikationen.

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