Die Ideologie der absoluten Toleranz zerstört die Integrationskraft der Gesellschaft

Alexander Grau über die Notwendigkeit des Kulturpessimismus

Alexander Grau

Am 20. Februar 2019 stellte Alexander Grau sein aktuelles Buch „Kulturpessimismus – Ein Plädoyer“ vor. Der promovierte Philosoph plädierte für einen aufgeklärten Kulturpessimismus, den er als politische Chance ansehe, jene autoaggressive Selbstgefälligkeit zu überwinden, in der die westlichen Gesellschaften sich eingerichtet hätten. Ein solcher Kulturpessimismus könne den Blick frei machen auf die Verfaßtheit und den Zustand unserer Gesellschaft.

Sein Werk sei der Versuch, den Kulturpessimismus zu rehabilitieren, so Grau. Da heutzutage Kulturkritik zur Affirmation degeneriert sei und nurmehr die herrschende Ideologie bestätige, werde Kulturpessimismus zur letzten kritischen und aufgeklärten Option. Die Historisierung des Kulturpessimismus als einer Haltung aus vergangenen Zeiten sei verfehlt. Vielmehr handle es sich um eine kulturphilosophisch wohlbegründete und notwendige Haltung. Dafür müsse man verstehen was Kultur sei, nämlich zunächst ein Ordnungssystem, das der Mensch der unberechenbaren und bedrohlichen Natur entgegensetze. Kultur strukturiere Raum und Zeit, ermögliche Planbarkeit und trage zur Kontingenzbewältigung des Menschen bei. Sie schaffe einen Raum der Symbole, der normierend und damit stabilisierend für Gesellschaften sei. Das Standardisierungs- und Normierungssystem der Kultur sei mithin integrierend. Kultur sei aber nicht unbegrenzt belastbar und ab einem bestimmten Punkt gesellschaftlicher Heterogenität verlöre sich ihre integrierende Kraft. Solche Desintegrationseffekte könnten zum Untergang einer Kultur führen, wie dies in vormodernen Gesellschaften auch passiert sei (prominentestes Beispiel: das Römische Reich). Doch hätten sich danach stets neue Normierungssysteme bilden können.

In der Moderne dagegen sei dies anders und schwerwiegender geschehen. Die Umformung der europäischen Gesellschaften habe sich nicht auf einzelne Bereiche beschränkt. Vielmehr habe ein Transformationsprozeß stattgefunden, der keinen Lebensbereich ausgelassen habe. In der Folge der Moderne seien nunmehr traditionelle Normen wie Stabilität, Beharrlichkeit und Kontinuität ersetzt worden durch Ideale der Flexibilität, Spontaneität und Innovation. Kulturdestabilisierung gelte als vorbildlich und verbindliche Normen als obsolet. Wandel und Autonomisierung würden nicht mehr als negative Begleiterscheinung von sozialen oder technischen Veränderungen angesehen, sondern seien vielmehr zu einem Selbstzweck geworden, der die kulturellen Bindungskräfte pulverisiere. Daher habe sich heute eine Ideologie der absoluten Toleranz etablieren können, in der alles als gleich wertvoll gelte. Eine solche universale Nachkultur wolle die letzten Unterschiede nivellieren und habe den globalen Melting Pot als Ziel, aus dem sich jeder nach eigenem Belieben bedienen könne. Das Verschwinden von Kultur werde so zur Voraussetzung einer globalen Weltkultur. Denn, so Grau, nur wo regionale Identität und Herkunft keinen Sinn und keine Bedeutung mehr hätten, sei die universale Weltkultur verwirklicht. Gegen dieses heutige Stadium der kulturellen Entropie müsse ein aufgeklärter Kulturpessimismus antreten.

 

Das Video des Vortrags sehen Sie demnächst hier auf unserer Seite.

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