Die stille Diplomatie Pius XII. hat mehr Menschen gerettet, als öffentliche Bekenntnisse es vermocht hätten

Michael F. Feldkamp sprach über Papst Pius XII.

Michael F. Feldkamp

Am 10. Oktober 2018 stellte Michael F. Feldkamp sein neues Buch „Pius XII. – Ein Papst für Deutschland, Europa und die Welt“ vor. Anläßlich des 60. Todestages von Pius XII. am 9. Oktober 2018, korrigierte der Berliner Historiker einige Legenden und Vorurteile über den Pacelli-Papst und zeichnete ein faktenreiches historisches Bild des Pontifex. Seit Rolf Hochhuths Theaterstück „Der Stellvertreter“ hält sich hartnäckig das Vorurteil, Pius habe zum Mord an den europäischen Juden geschwiegen oder sei gar ein Erfüllungsgehilfe des Nationalsozialismus gewesen. Feldkamp zeigte auf, daß jener Papst gerade hinter den Kulissen auf diplomatischer Ebene gewirkt und so tatsächlich viele Menschen geschützt habe. Pius XII. selbst bedauerte später, daß er „nicht eine größere Anzahl von Juden retten konnte“.

Eugenio Pacellis Pontifikat als Pius XII. (1939 bis 1958) war durch Krieg und Krise bestimmt. Zunächst durch den Zweiten Weltkrieg und den sich anschließenden Kalten Krieg, der in den 1940er und 1950er Jahren durch eine Reihe internationaler Krisen gekennzeichnet war. Da er zuvor im diplomatischen Dienst des Vatikans gewirkt und sich als Nuntius (Botschafter) in heiklen Situationen bewährt hatte, wählte ihn das Kardinalskollegium 1939 im kürzesten Konklave der Geschichte zum Papst. Pius XII. bemühte sich mit mehreren Friedensappellen und Briefen an die Machthaber verschiedener Staaten, im Zweiten Weltkrieg zu vermitteln, doch wurde dies komplett ignoriert. Er ermunterte Kardinäle und Bischöfe in ihren jeweiligen Ländern, sich nach eigenem Ermessen politisch zu äußern. So konnte ein Protest deutscher Bischöfe gegen das Euthanasie-Programm im nationalsozialistischen Deutschland dessen Abbruch 1941 erwirken. Ein Protest niederländischer Bischöfe gegen die Verfolgung der Juden in Holland dagegen führte zur Ausweitung der Maßnahmen auch auf zum Christentum konvertierte Juden. Vor diesem Hintergrund, so Feldkamp, mußte Pius XII. damit rechnen, daß ein öffentlicher Protest seiner Person nicht Abhilfe, sondern Schlimmeres bewirken könnte. Gegenüber seiner Haushälterin soll er geäußert haben, „wenn der Brief der holländischen Bischöfe 40.000 Menschenleben kostete, so würde mein Protest vielleicht 200.000 kosten. Das darf und kann ich nicht verantworten“. Pius XII. sah sich gezwungen, in der Stille alles Menschenmögliche zu tun, denn durch die deutsche Besetzung von Rom 1943/44 wurden seine Möglichkeiten weiter eingeschränkt. Der Papst öffnete katholische Kirchen für Verfolgte und Bedrängte und suchte die Abstimmung mit den deutschen Diplomaten in Rom, um Schutzbriefe zu erlangen, die an Kircheneingänge gehängt wurden, um Gestapo und SS von der Durchsuchung abzuhalten. Laut Feldkamp konnten so vermutlich zehntausende Menschen vor dem Tod gerettet werden.

Die Kontroverse um Pius XII. werde weiterhin zwischen zwei Ansichten verlaufen, so Feldkamp abschließend. Es gehe um die Frage, ob der Papst aus gesinnungsethischem Antrieb heraus seinen moralischen Anspruch hätte noch deutlicher öffentlich machen müssen, oder ob er in seiner Rolle als Verantwortungsethiker mehr Menschen habe retten können. Ihn als „Nazi-Papst“ zu denunzieren, wie dies immer wieder geschehe, sei jedoch grundlegend falsch. Seine diplomatischen Bemühungen, die viel mehr bewirkt hätten, als ein öffentliches Bekenntnis es gekonnt hätte, seien aber leider noch viel zu wenig gewürdigt.

 

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