Konservatismus als Ordnung der Freiheit

Michael Henkel über die politische Theorie von Michael Oakeshott

Michael Henkel

Am 17. Oktober 2018 sprach Michael Henkel in der Themenreihe „Konservativ heute“ zum Thema „Vernunft, Rationalismus Ordnung – Michael Oakeshotts politische Theorie“. Der habilitierte Politikwissenschaftler erläuterte zunächst Oakeshotts Haltung zum Rationalismus, der zwar seine Berechtigung habe, aber nicht eins zu eins auf Gesellschaft und Politik übertragen werden dürfe. Der englische Denker habe daher eine Handlungstheorie entwickelt, die auf praktischer Vernunft basiere und darauf hinauslaufe, in der Politik nur solches Handeln zu akzeptieren, welches „wir gegenüber Regeln des [menschlichen] Verhaltens als angemessen erkannt haben“.

Michael Oakeshott (1901–1990) bezog sich, ungewöhnlich für einen britischen Philosophen, oft auf den deutschen Idealismus, insbesondere auf Hegel und dessen Denken. Daher rühre auch Oakeshotts Einwand gegen den Rationalismus, nicht aber gegen die Vernunft. Im Gegenteil sei für Oakeshott gerade der Rationalismus unvernünftig. Für ihn setze sich das wirkliche Wissen aus dem technischen Wissen und dem praktischen Wissen zusammen. Zu jedem Handeln gehörten beide Wissensformen. Der Rationalismus dagegen setze nur auf das technische Wissen und führe dazu, daß man Politik wie ein Ingenieur betreibe, nach einer Politik der Perfektion strebe und letztlich eine Politik der Uniformität erreiche. Das Ziel von Politik bestehe dann darin, der Lebensführung der Bürger Einheitlichkeit und Vollkommenheit zu verordnen. Damit nehme Oakeshott gleichsam die heutige Diskussion um den „Nanny-Staat“ voraus sowie die Kritik an zentraler Planung der Gesellschaft und Politik von oben, die er als „rationalistisch“ kritisiert und ablehnt.

Oakeshott sehe natürlich die Sinnhaftigkeit des Rationalismus in Wissenschaft und Technik. Er bejahe auch die Moderne und den technischen Fortschritt. Doch entschieden lehne er den Versuch ab, das Verhalten des einzelnen, die Beziehungen der Menschen untereinander und die Gesellschaft rational zu planen. So würden die Freiheit der Entscheidungen und die Vielfalt unterdrückt, die aufgrund individueller Vorlieben der einzelnen Menschen immer da seien. Gegen die Uniformität einer geplanten Gesellschaft und einer geplanten Politik setze Oakeshott einen Staat, der gleiche Verfahrensregeln gegenüber allen Bürgern gleichermaßen Geltung verschaffe. Die „Rule of Law“, der Rechtsstaat, vor dessen Gesetzen alle gleich sind, schwebt Oakeshott vor, nicht der bevormundende Staat, der das Verhalten vorschreiben will. Für ihn erkenne der Bürger die Aufgabe des Staates an, die Kollisionen zu schlichten, die menschliches Handeln hervorbringe und damit den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren, ohne aber die Entscheidungsfreiheit des einzelnen einzuschränken.

Politik ereigne sich niemals im luftleeren Raum, sondern stehe immer schon in einem gegebenen Traditions- und Kommunikationszusammenhang. Insofern erweise sich Oakeshotts Konservatismus in seinem Plädoyer, „das Vertraute dem Unbekannten vorzuziehen, … das faktisch Gegebene dem Möglichen, … das Brauchbare dem Vollkommenen und die Fröhlichkeit dem utopischen Glück“. Konservatismus stehe demnach für eine Ordnung der Freiheit. Oakeshott sei, so Henkel abschließend, ein moderner konservativer Denker von brennender Aktualität, dessen Rezeption für Konservative von größtem Nutzen sein könne.

Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) ist ein Ort konservativen Denkens und Schaffens in Berlin. Sie dient gleichermaßen dem Sammeln und Erhalten konservativer Literatur, wie der Weiterentwicklung konservativen Gedankenguts durch Vorträge und Publikationen.

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