Mit Terror und Gewalt marschierte die Rote Armee ein
Hubertus Knabe sprach über das Ende des Zweiten Weltkriegs im Osten Deutschlands

Hubertus Knabe bei seinem Vortrag
Der Berliner Historiker Hubertus Knabe sprach am 16. April 2025 über den Einmarsch der Roten Armee in Deutschland 1945. Er stützte sich dabei auf sein kürzlich wiederaufgelegtes Buch Tag der Befreiung? – Das Kriegsende in Ostdeutschland.
Als die Rote Armee im Januar 1945 die Grenzen des Deutschen Reichs überschritten hatte, sei sie mit roher und ungezügelter Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen, berichtete Knabe. Zivilisten seien erschossen worden, auch massenhafte Vergewaltigungen von Frauen seien an der Tagesordnung gewesen, die oft zum Tode der Frauen geführt hätten. Die Rotarmisten hätten Privathäuser geplündert und zerstört, was sie nicht mitnehmen konnten.
Den Kampftruppen seien Truppen der Geheimpolizei gefolgt, die die eroberten Gebieten unter Kontrolle bringen sollten. Ziel war es, unter den Angehörigen der Roten Armee, die in Gefangenschaft geraten waren, Vaterlandsverräter, Spione und Deserteure zu identifizieren. Dazu sollten Soldaten oder Offiziere, die aus der Kriegsgefangenschaft befreit wurden oder sich selbst befreit hatten, ohne Ausnahme in sogenannte „Filtrationslager“ verbracht, wo sie auch mit Mitteln der Folter auf politische Zuverlässigkeit überprüft wurden.
Erst als die Rote Armee die Oder überschritten habe, hätte die sowjetische Führung ansatzweise versucht, der wahllosen Gewalt gegenzusteuern, weil die massenhaften Übergriffe auch zu Nachteilen für die Sowjets geführt hätten, die die eroberten Gebiete langfristig kontrollieren wollten. Doch es sei nicht möglich gewesen, die einmal entfesselte Gewalttätigkeit der Soldaten wieder in den Griff zu bekommen.
Auch nach dem Ende des Krieges am 8. Mai 1945 hätten Rotarmisten weiterhin die Zivilbevölkerung terrorisiert, geplündert und mißhandelt. Knabe berichtete, daß allein in Berlin 100.000 Frauen vergewaltigt worden seien. Die Sowjets hätten Zehntausende in den Gulag zur Zwangsarbeit verschleppt. Der Transport nach Sibirien in Güterwaggons sei unter derart menschenunwürdigen Bedingungen erfolgt, daß zahlreiche Deportierte auf der Fahrt gestorben seien.
Mitunter wird als Grund für das gewaltsame Vorgehen der sowjetischen Soldaten Rache für die deutschen Verbrechen an der sowjetischen Bevölkerung angeführt. In diesem Zusammenhang machte Knabe darauf aufmerksam, daß gerade Rotarmisten aus den asiatischen Teilen der Sowjetunion durch besondere Gewalttätigkeit auffielen, obwohl deren Heimatregionen nicht unter einer deutschen Besatzung gelitten hätten. Im Gegensatz dazu hätten aus deutscher Haft entlassene sowjetische Kriegsgefangene keine systematischen Vergewaltigungen verübt. Dies spreche gegen die These von der individuellen Rache der Rotarmisten und sei ein Hinweis darauf, daß die Kriegsverbrechen von der Führung angestoßen worden seien. Ferner seien Plünderungen erleichtert worden, indem den Rotarmisten erlaubt wurde, Pakete in die Heimat zu senden, was diese dann für den Versand von geplündertem Gut genutzt hätten. Erst als den Soldaten geraume Zeit nach Kriegsende untersagt wurde, ihre Kasernen ohne ausdrücklichen und konkreten Befehl zu verlassen, hätten Raub, Gewalt und Vergewaltigungen in den von der Roten Armee besetzten Gebieten aufgehört.
Abschließend zog Knabe das Resümee, daß die Ereignisse von 1945 nach wie vor Bedeutung für die Gegenwart hätten. Die russischen Kriegsverbrechen seien in Rußland nie aufgearbeitet worden. Politisch sei nie reflektiert worden, was ein Soldat dürfe und was nicht. Im Hinblick auf die gegenwärtige Debatte um die Bedeutung des Ende des Zweiten Weltkriegs werde auf der Basis der historischen Ereignisse nachvollziehbar, warum der 8. Mai 1945 für die Deutschen in der östlichen Hälfte Deutschlands kein Tag der Befreiung gewesen sei.