Mit Herz und Verstand statt Politischer Korrektheit

Harald Martenstein ruft dazu auf, sich gegen das Verschwinden der westlichen Kultur zu wehren

Harald Martenstein liest aus seinem neuen Buch „Es wird Nacht, Señorita“

Die Titel für seine Bücher finde er bei Udo Jürgens, gibt der Kolumnist Harald Martenstein gleich am Anfang seiner Autorenlesung am 15. Januar 2025 unumwunden zu. Auch der Titel seines jüngsten Buchs Es wird Nacht, Señorita gehe auf ein Lied des österreichischen Schlagersängers zurück. Das passe gut zu der Sammlung seiner besten Kolumnen der letzten drei Jahre in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Martenstein, der 1953 in Mainz geboren wurde, schreibt regelmäßig Kolumnen für das „Zeit-Magazin“, die „Welt am Sonntag“, den NDR und Radio Eins.

Die politische Korrektheit nahm Martenstein bei seiner Lesung zielsicher aufs Korn. Als der Ravensburger Verlag zwei Kinderbücher über Winnetou vom Markt nahm, fragte er sich, wann denn die Märchen der Gebrüder Grimm zurückgezogen würden. Denn in „Hänsel und Gretel“ übe Gretel mit der Hexe keine Frauensolidarität, sondern helfe ihrem Bruder, einem weißen Jungen. Die Stiefmutter werde zudem auf ihre Mutterrolle festgelegt. Im Hinblick auf Winnetou macht Martenstein darauf aufmerksam, daß Kulturvermischung und Kulturaneignung etwas Selbstverständliches seien. Er ruft dazu auf, daß die westliche Kultur sich gegen ihr Verschwinden wehren soll.

Ebenso bekommen Berater und Coaches ihr Fett weg. Martenstein nimmt sich den Artikel einer Karriereberaterin vor. Er bringt sein Unverständnis zum Ausdruck, warum man Wendungen wie „Kein Problem“ oder „Ich weiß es nicht“ am Arbeitsplatz nicht verwenden solle. Angesichts der Karriereratschläge stellt er sich die Frage, warum die Karriereexpertin nicht einfach selbst ihr Wissen nutze, um Karriere zu machen statt andere zu beraten.

Doch auch vor religiösen Themen scheut der Kolumnist nicht zurück. Der Katholikentag in Stuttgart habe einen traurigen Eindruck auf ihn gemacht. Für ihn habe das mehr wie das Programm eines Radiosenders gewirkt: etwas Politik, Gespräche mit Prominenten und Popmusik. An der Kirche habe ihn jedoch immer das „Unzeitgemäße“ angezogen. In seiner Jugend habe er das Vaterunser auf Latein geliebt und auswendig gelernt.

Nachdenklich und etwas schwermütig wird er, wenn er über seine Mutter schreibt. Lange Zeit habe er kein gutes Verhältnis zu ihr gehabt. Doch jetzt sei sie alt geworden, habe mit Krankheit zu kämpfen und sei nicht mehr ansprechbar. Er beschreibt seine Besuche bei ihr im Altersheim. Das Wort „Versöhnung“ habe in ihrer Welt keinen Sinn mehr. Doch er macht deutlich, daß sein Mitgefühl für sie größer sei als der Groll über Vergangenes.

Doch schnell geht es wieder weiter mit der hintergründigen Ironie. Auch die „Cancel Culture“ hat vor Martenstein nicht halt gemacht. Er berichtet, unter welchen Umständen er 2022 seine Arbeit für den „Tagesspiegel“ beendet habe, für den er über 30 Jahre gearbeitet habe. In seiner Kolumne „Die Judenstern-Affäre“ habe er die inflationäre Verwendung von Nazivergleichen hinterfragt. Das habe ihm den Vorwurf eingetragen, den Holocaust zu verharmlosen. Die Chefredaktion des Tagesspiegels habe daraufhin seinen Text aus dem Netz genommen und durch eine Erklärung ersetzt, die seiner Arbeit Sorgfalt und Lauterkeit abgesprochen habe. Dies sei für ihn der Anlaß gewesen, die Zusammenarbeit zu beenden und zur „Welt am Sonntag“ zu wechseln. Im nachhinein sei ihm bewußt geworden, daß diese Kolumne die „woke Linke“ besonders provoziert habe, weil er ihre „Allzweckwaffe“, den Nazivorwurf, infrage gestellt habe.

In der anschließenden Aussprache wird über verengte Debattenräume und das hysterische Diskussionsklima im Mainstream-Journalismus diskutiert. Martenstein erklärt, daß durchaus Anzeichen für ein Umdenken wahrnehmbar seien. Bei einigen Entscheidungsträgern setze sich allmählich die Erkenntnis durch, daß es so nicht weitergehen könne. Damit weckt Martenstein Hoffnung, daß Herz und Verstand sich gegen die politische Korrektheit durchsetzen werden.

Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) ist ein Ort konservativen Denkens und Schaffens in Berlin. Sie dient gleichermaßen dem Sammeln und Erhalten konservativer Literatur, wie der Weiterentwicklung konservativen Gedankenguts durch Vorträge und Publikationen.

Mehr Informationen...

Kategorien