Plädoyer für eine europäische Republik (Video & Podcast)

Ulrike Guérot sprach über das Staatsverständnis der Demokratie

Ulrike Guérot spricht zum Verhältnis von Demokratie und Republik

Die Publizistin und Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot sprach am 4. Dezember 2024 über die Notwendigkeit einer „guten“ politischen Ordnung. In ihrem Vortrag mit dem Titel „Demokratie im Treibsand  – Der Ausverkauf der Republik“ entwickelte sie einen eigenen Republik-Begriff, der das Zusammenleben der Bürger in Freiheit und sozialem Ausgleich ermöglichen soll.

Ihre Ausführungen stützten sich auf die These Hannah Arendts, Menschen könnten nur frei sein in Bezug aufeinander, also nur im Bereich des Politischen und des Handelns. Denn nur dort würden sie erfahren, was Freiheit positiv sei und daß sie mehr sei als Freiheit von Zwang.

Guérot zählte zunächst auf, was mit „Demokratie“ verbunden werde, wie zum Beispiel Volksherrschaft, Wahlen, Gewaltenteilung, Minderheitenschutz, Partizipationsmöglichkeiten oder Volksabstimmungen. Dabei warnte sie, Demokratie nur auf das Stattfinden einer Wahl zu reduzieren. Sie führte das Beispiel der Wahl von Hamid Karzai zum Präsidenten Afghanistans an, die zwar formal demokratisch gewesen sei doch nicht zu einer Identifikation mit dem neuen Staat geführt habe. Demokratie könne auch simuliert werden, weshalb es Guérot um Differenzierung zwischen Form und Funktion geht.

Sie bezieht sich auf die Staatsformenlehre des Aristoteles, der eine Unterscheidung machte zwischen den „guten“ Staatsformen Monarchie, Aristokratie und Politie auf der einen Seite und den „schlechten“ Staatsformen Tyrannei, Oligarchie und Demokratie auf der anderen Seite. Eine Staatsform wäre gut, wenn sie dem Allgemeinwohl dienen würde, schlecht, wenn lediglich dem Nutzen der Regierenden. Die Politie wäre die beste Staatsform, weil das Gemeinwesen hier als Mehrheitsherrschaft von besonnenen und vernünftigen Bürgern geleitet würde, doch wäre sie auch ziemlich unwahrscheinlich.

Vor diesem Hintergrund sei zu verstehen, so Guérot, warum es das Ziel der Französischen Revolution gewesen sei, eine Republik einzuführen und der Begriff Demokratie gemieden wurde. Die Schaffung von sozialer Gleichheit sah sie als wesentliches Ziel der Revolution in Frankreich an. Aus Untertanen sollten Bürger werden, Privilegien des Adels und des Klerus abgeschafft werden. Die zueinander in einem Spannungsverhältnis stehenden Grundsätze von Freiheit und Gleichheit sollten durch die Brüderlichkeit vermittelt werden. Lediglich der allgemeine Nutzen dürfe soziale Unterschiede begründen. Doch den Revolutionären sei es nicht gelungen, die soziale Frage zu lösen, was zum Scheitern der Revolution führte. Im Gegensatz dazu hätten die US-amerikanischen Revolutionäre die wirtschaftlichen Ressourcen gehabt, um die soziale Frage zu lösen. Nämlich Land, das verteilt werden konnte, und Sklaven.

Der Begriff „Republik“ hat für Guérot paradigmatische und normative Bedeutung, wobei sie sich auch auf den römischen Staatsmann Cicero beruft. Die Republik legitimiere sich durch die Entscheidungsgewalt des Volkes, habe das Allgemeinwohl zum Ziel und die Gesetze dienten der Freiheit der Bürger.

An dieser Stelle beklagt Guérot liberale oder libertäre Vorstellungen, die auf eine „Freiheit vom Staat“ abzielten, aber zur gesellschaftlichen Atomisierung führen würden. Stattdessen bräuchte es eine „Befähigung zur Republik“. „Wir haben uns begrifflich verlaufen!“ stellte sie fest. Das Gegensatzpaar von „liberaler Demokratie“ und „illiberaler Demokratie“ würde in der gegenwärtigen Situation nicht weiterhelfen. Liberalismus und Demokratie hält sie für strukturell unvereinbar. Europa habe keine starke liberale Tradition. Die politische Grundkonstellation, wie sie in der Fernsehserie „Don Camillo und Peppone“ dargestellt werde, sei eher repräsentativ für die politische Tradition Europas in der Nachkriegszeit. Sie sieht das Zusammenwirken christdemokratischer und sozialdemokratischer Kräfte als typisch für Europa an. Die Fokussierung auf Wirtschaft und Märkte wäre ein Irrweg. Märkte würden ganz gut funktionieren, wenn es um den Austausch von Gütern gehe, doch nicht wenn Menschen im Spiel seien, wie zum Beispiel beim Wohnungsmarkt.

Guérot plädiert mit ihrem Republik-Begriff für eine Ordnungsform, in der nicht das Kapital regiert. Im Gegenteil müßten die Bürger vor dem Kapital geschützt werden, wobei Guérot auch hervorhob, daß sie Kapital und Märkte nicht grundsätzlich ablehnen würde. Ihr gehe es darum, Markt und Kapital einzuhegen durch Maßnahmen wie Vermögenssteuern, Spitzensteuersätze, Schaffung von Anstalten des öffentlichen Rechts, die der Marktlogik enthoben sein sollen, ein Sozialversicherungssystem und die konsequente Anwendung des Grundsatzes nach Artikel 14 Grundgesetz, daß Eigentum verpflichtet.

Die Republik als Staatsform sieht Guérot als Möglichkeit, eine Re-Feudalisierung oder eine „faschistische“ Phase zu verhindern. Hannah Arendt habe gesagt, wir müßten Rom immer wieder neu gründen. Dem wolle sie sich anschließen mit ihrem Einsatz für die Gründung einer subsidiär verfaßten europäischen Republik, die nichts mit der EU der Gegenwart zu tun habe.

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