Von demokratischer Begeisterung zu radikaler Desillusionierung

Karlheinz Weißmann über das Schicksalsjahr 1919

Karlheinz Weißmann

Am 21. Juni 2019 sprach Karlheinz Weißmann über sein neues Buch „1919 – Von der Revolution zum Friedensdiktat“. Die Ereignisse des Jahres 1919 hätten in ihrer Gesamtheit die deutsche Gesellschaft so schwer erschüttert, wenn nicht gar zerrüttet, daß das Fundament für die folgende Entwicklung maßgeblich vorgeprägt worden sei.

Die Deutschen hatten mit überwältigender Mehrheit die später sogenannte „Weimarer Koalition“ aus SPD, DDP und Zentrum in die Nationalversammlung gewählt. Die Einführung der Republik sei von den meisten Deutschen begrüßt worden. Die Tatsache, daß sich diese Mehrheitsverhältnisse in der nächsten Reichstagswahl verkehrten und der neue Staat von seinem Beginn bis zu seinem Ende einen so schweren Stand hatte, lasse sich nur mit der radikale Desillusionierung durch die Vorgänge des Jahres 1919 erklären.

In Deutschland starben nach dem Krieg noch einmal 100.000 Menschen, vor allem Alte, Kranke und Kinder, weil die Alliierten nicht bereit waren, die Hungerblockade aufzuheben, sondern die Deutschen zwangen, Milch- und Fleischvieh abzugeben. Dies habe zu Zuständen geführt, in denen die Verwaltungen nicht mehr in der Lage waren, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Es habe Verzweiflung geherrscht, die zu sozialer Zerrüttung größten Ausmaßes geführt habe. Schwerste Verbrechen, wie Mord, Vergewaltigung und Überfälle seien an der Tagesordnung und von der Polizei kaum in den Griff zu bekommen gewesen.

Zudem seien die materiellen und psychologischen Belastungen des Versailler Vertrages für die Deutschen ungeheuerlich gewesen. Es war damit gerechnet worden, daß man territoriale Einbußen hinnehmen und den Siegern Reparationen zahlen müsse. Doch die Entschädigungszahlungen seien verblaßt angesichts des Kriegsschuldartikels. Die Behauptung, Deutschland habe den Krieg böswillig verschuldet, sei für alle Deutschen inakzeptabel gewesen. Außenminister Brockdorff-Rantzau habe im Zusammenhang mit den Angeboten und Vorschlägen der Sieger von „alliierter Kriegslist“ gesprochen, die nur darauf abgezielt habe, die Deutschen wehrlos zu machen und in eine Falle zu locken, aus der es kein Entkommen mehr gegeben habe. Doch angesichts der Lage war die Frage, was zu tun sei, äußerst schwer zu beantworten. Deutschland war entwaffnet und die Alliierten hatten bereits zu Anfang des Jahres militärische Brückenköpfe am Rhein errichtet. Im Innern drohte außerdem weiterhin die Gefahr einer kommunistischen Revolution. Der äußere Druck durch den Versailler Vertrag, die militärische Hilfslosigkeit, die verzweifelte Versorgungslage und die reale Möglichkeit eines gewaltsamen Umsturzes, all dies führte 1919 zu einer tiefen Erschütterung der Deutschen. Daraus Zwangsläufigkeit abzuleiten, so Weißmann, sei natürlich ahistorisch, doch ein großer Teil der folgenden Entwicklung habe seine Ursache in jenem Jahr 1919.

 

Das Video des Vortrags sehen Sie demnächst hier auf unserer Seite.

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