Auf falscher Fährte: Die Konservativen und die CDU

Michael F. Feldkamp sprach über das politische Selbstverständnis der Union

Michael F. Feldkamp bei seinem Vortrag

Bis heute richtet sich die Hoffnung vieler Konservativer auf die Unionsparteien. Warum sie dabei immer wieder enttäuscht werden, ja enttäuscht werden müssen, erläuterte der Berliner Parlamentshistoriker Michael F. Feldkamp am 25. Januar 2023 unter dem Titel „Das Debakel – Die CDU als verlorene Hoffnung der Konservativen“ anhand der Geschichte der Partei. Dabei stellte er heraus, daß die politische Ausrichtung der CDU bis in die fünfziger Jahre hinein durchaus diffus blieb. So schrieb ein französischer Journalist in den Anfangsjahren der Bundesrepublik: „Diese Partei ist sozialistisch und radikal in Berlin, klerikal und konservativ in Köln, kapitalistisch und reaktionär in Hamburg und gegenrevolutionär und partikularistisch in München.“

Weder der „christliche Sozialismus“ des Ahlener Programms von 1947 noch die Umarmungspolitik gegenüber der konservativen Deutschen Partei in Niedersachsen Ende der fünfziger Jahre hätten die Gesamtpartei langfristig programmatisch zu prägen vermocht, so Feldkamp. Statt dessen habe sich die CDU zunehmend über zwei Anliegen definiert: die großen Konfessionen und damit die Gesellschaft parteipolitisch zu einen und Speerspitze zu sein im Kampf gegen den Kommunismus.

Daß die Union die großen Konfessionen geeint habe, sei von Parteistrategen schon früh als Narrativ ausgegeben worden, so Feldkamp. Doch treffe dies in keiner Weise zu. Vielmehr habe es in weiten Teilen der Partei bis weit in die 1970er Jahre eine starke Konkurrenz zwischen katholischen und evangelischen Kräften gegeben, die durch Proporz bei der Besetzung von Funktionen und Mandaten nur aufgefangen, aber niemals überwunden werden konnte. Faktisch habe die CDU auf diesem Wege das Konfessionelle zunächst sogar in die Gesellschaft hineingetragen, ab den achtziger Jahren dann zunehmend marginalisiert und zuletzt fast ganz aus der Politik hinausgedrängt, nachdem sie gemerkt habe, daß konfessionelle Fragen bei der Wählerschaft keine Rolle mehr spielten. Heute diene die Rede vom „christlichen Menschenbild“ nur noch dazu, bürgerliche Wähler an die Partei zu binden, eine inhaltliche Akzentuierung verbinde sich damit nicht mehr.

Spätestens mit dem Fall des Eisernen Vorhangs sei der Union auch das zweite Standbein, der Antikommunismus, weggebrochen. Von der einst propagierten Alternative „Moskau oder Rom?“ sei letztlich zu beiden Seiten nichts mehr übriggeblieben.

Die CDU war, so Feldkamps Resümee, also nicht nur eine „verlorene“, sondern von Beginn an eine falsche Hoffnung der Konservativen, weil sie zu keinem Zeitpunkt eine dezidiert konservative Partei habe sein wollen, sondern eine zentristische Sammlungsbewegung (weshalb sie sich auch bewußt „Union“ und nicht „Partei“ genannt habe). Das, was sie für Konservative gleichwohl jahrzehntelang attraktiv gemacht habe – ein christliches Bekenntnis einerseits und ein strikter Antikommunismus andererseits – spiele mittlerweile keine Rolle mehr, so daß die Partei heute noch weniger als früher als eine „konservative“ anzusprechen sei.

Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) ist ein Ort konservativen Denkens und Schaffens in Berlin. Sie dient gleichermaßen dem Sammeln und Erhalten konservativer Literatur, wie der Weiterentwicklung konservativen Gedankenguts durch Vorträge und Publikationen.

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