Die Verfassung vor ihren wahren Feinden schützen

Dietrich Murswiek kritisiert die politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes

Dietrich Murswiek bei seinem Vortrag

Am 8. Februar 2023 sprach der emeritierte Freiburger Staats- und Völkerrechter Dietrich Murswiek zum Thema „Streitfall Verfassungsschutz – Verteidiger oder Gefährder der Demokratie?“. Zur Definition unserer Demokratie gehöre es, daß sie „streitbar“ und „wehrhaft“ sei, um fundamentale Verfassungsgüter wie etwa Menschenwürde und individuelle Freiheit wirksam schützen zu können. Eine Besonderheit der deutschen Verfassung bestehe jedoch darin, daß sie nicht nur eine gewaltsame Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung verbiete und bekämpfe, sondern auch eine legale. Demnach sei es unzulässig, um parlamentarische Mehrheiten zu werben mit dem Ziel, die Verfassung ganz oder in ihren grundlegenden Artikeln abzuschaffen.

Kritik und politische Diskussion gehörten gleichwohl zum Wesenskern der parlamentarischen Demokratie. Die zentrale Frage für den Verfassungsschutz sie demnach, welche politischen Debattenbeiträge noch als legitim anzusehen und welche als verfassungsfeindlich zu bekämpfen seien. Dies um so mehr, als sich der Verfassungsschutz seit einigen Jahren selbst als „Frühwarnsystem“ verstehe, das politische Äußerungen und Debatten bereits kommentiere, wenn ihre Auswirkungen auf die Verfassung noch gar nicht sicher einzuschätzen seien. In den vergangenen Jahren habe der Verfassungsschutz diese Praxis mehr und mehr ausgeweitet, um Regierungskritiker als Extremisten zu delegitimieren, so die These Murswieks. Anhand des Verfassungsschutzberichtes aus dem Jahr 2021 zeigte er auf, daß bisweilen auch Personen dem Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit anheimfielen, die schlicht die Politik der Regierung kritisiert hätten. Als in Anbetracht der Flutkatastrophe im Ahrtal von einzelnen der Eindruck erweckt worden sei, die staatlichen Stellen seien mit der Bewältigung der Situation überfordert, seien diese anschließend im Verfassungsschutzbericht aufgeführt worden.

Murswiek hält diese willkürliche Ausdehnung des Arbeitsfeldes des Verfassungsschutzes für inakzeptabel: Der Verfassungsschutz verwechsele die Kritik an der Regierung mit einer Kritik am demokratischen System selbst. Hierbei handele es sich um eine juristische Unterscheidung, die nicht aufgegeben werden dürfe, wie es der Verfassungsschutz gegenwärtig tue. Mit dieser Linie, so Murswiek, stelle der Verfassungsschutz seine verfassungsrechtliche Legitimation selbst in Frage und werde zu einem politischen Instrument. Zu entscheiden, ob ein politischer Vorwurf gerechtfertigt sei oder nicht, sei dezidiert nicht die Aufgabe des Verfassungsschutzes, sondern des politischen Diskurses. Um den Verfassungsschutz zu reformieren, schlug Murswiek vor, daß bloße Verdächtigungen nicht mehr öffentlich gemacht werden dürften. Zudem sollten auch vermeintliche Belege verfassungsfeindlichen Handelns frühzeitig von einem Gericht geprüft werden können, so daß reine „Verdachtsfälle“ nicht mehr politisch und medial instrumentalisiert werden können.

Video- und Audio-Mitschnitte des Vortrags finden Sie demnächst auf dieser Seite.

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