Mit der Autorität des Autors gegen die Macht der Kulturalisten

Bazon Brock über die Möglichkeiten des einzelnen, Geschichte zu schreiben

Bazon Brock lauscht den Worten Gottfried Benns

Am 7. Dezember 2022 sprach der Berliner Kunst- und Kulturwissenschaftler Bazon Brock zum Thema „Autorität durch Autorschaft – Gegen die Diktate des Kulturalismus“. Brock, der sich selbst als „Denker im Dienst“ und „Künstler ohne Werk“ begreift, lud die Versammlung zu Beginn ein, jene Mächte, die die eigene Anschauung prägten, an diesem Abend hintanzustellen und sich auf neue Orientierungen einzulassen.

Mit diesem Stichwort leitete Brock denn auch sogleich zu seinem Vortrag über, indem er fragte, was denn geeignet sei, Orientierung zu geben. Die Erkenntnis, daß es inmitten der Ortlosigkeit der Welt eine Notwendigkeit zur Orientierung gebe, sei so alt wie die Menschheit selbst. Doch erst Aristoteles habe die Orientierung an Haus und Hof, Stamm und Gemeinschaft, Mythos und Astronomie überwunden und das Denken an ihre Stelle gesetzt. Als Beispiele dafür, was das Denken für die Orientierung einer Gesellschaft zu leisten im Stande sei, nannte Brock exemplarisch Thomas Manns „Zauberberg“ von 1924 (hier insbesondere das Gespräch zwischen Settembrini und Naphta), Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ von 1930 (vor dem Hintergrund der untergehenden k.u.k.-Monarchie) sowie Gottfried Benns Text „Die neue literarische Saison“ von 1931, aus der Brock einen Abschnitt als Original-Tondokument des Autors präsentierte.

Zoon politikon – ein großer Mißgriff, eine Balkanidee“, war dabei aus dem Munde Benns zu hören, und damit der Zweifel, ob es wirklich die Gemeinschaft sei, die den Menschen ausmache. Sie habe sich, so Brock, zumal in staatlicher Form stets nur durch Machtgebrauch erhalten können und Einzelstimmen immer wieder zur Ohnmacht verdammt. Ein Problem, mit dem konservative Autoren wie Carl Schmitt, Gerhard Ritter, Martin Heidegger und Ernst Forsthoff in sehr unterschiedlicher Weise umgegangen seien.

Einer solchen Diktatur der Kulturalisten setzte Brock die Autorität durch Autorschaft des einzelnen entgegen. Über Jahrhunderte hätten mächtige Institutionen wie Staat und Kirche das Denken im Abendland initiiert und moderiert. Erst mit dem Renaissance-Humanismus habe sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein neues Kriterium an ihre Stelle gesetzt: die Wissenschaft. Fortan sei es auch einzelnen möglich gewesen, sich jenseits des kulturalistischen Drucks zu artikulieren und durch ihre Autorschaft Autorität zu begründen. Unter Bezugnahme auf den Züricher Historiker Bernhard Roeck unterstrich Brock, daß die Renaissance keineswegs eine „Wiedergeburt“ der Antike gewesen sei, sondern diese durch neue Mittel der Wissensentfaltung ab 1400 im heute gültigen Sinne erst erschlossen habe.

Damit ist für Brock zugleich ein Grundprinzip angesprochen, mit dem sich exemplarisch die Funktionsweise von Traditionsbildung erklären lasse: „Nur die Geschichte hat eine Tradition, die ihre gegenwärtige Tätigkeit – gerichtet auf die Zukunft – als Sicherung der Vergangenheit von morgen darstellt.“ Niemals also gehe es um die Arbeit an der (ungewiß bleibenden) Zukunft, sondern stets darum, wie die Vergangenheit in Zukunft wahrgenommen werde. Denn das Neue werde erst dadurch „funktionstüchtig“, daß es unseren Blick auf das Alte verändere. Da dieser Blick entscheidend sei für die Identität einer Gemeinschaft, sei das Thema gerade für Konservative von großer Bedeutung. Ihnen riet Brock, Tradition nicht mit Inhalten der Vergangenheit wiederherstellen zu wollen, sondern heute Inhalte zu schaffen, die morgen in der Rückschau die eigene Vergangenheit neu verstehen helfen – so wie die Renaissance zum Verständnis der Antike beitrug. Eine solche Leistung sei jedoch nie von den mächtigen Kulturalisten, sondern stets nur von einzelnen zu erwarten.

Video- und Audio-Mitschnitte des Vortrags finden Sie demnächst auf dieser Seite.

 

Bazon Brock empfiehlt zur weiterführenden Lektüre:

Georg Bollenbeck: Tradition – Avantgarde – Reaktion, Frankfurt am Main 1999

Bazon Brock: Ästhetik gegen erzwungene Unmittelbarkeit – Die Gottsucherbande, Köln 1986

Bernhard Roeck: Der Morgen der Welt – Geschichte der Renaissance, München 2017

Peter Watson: Ideen – Eine Kulturgeschichte von der Entdeckung des Feuers bis zur Moderne, München 2006

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