Vom Kartentisch zur Spielkonsole

Ulrich Fröschle über Geopolitik in der Gegenwartskultur

Ulrich Fröschle führt in Steffen Kopetzkys Roman „Risiko“ ein

Was haben Schriftsteller wie Steffen Kopetzky, Christian Kracht und Michel Houellebecq gemeinsam? Sie alle thematisieren geopolitische Fragestellungen in der literarischen Form des Romans, wobei diese Dimension ihres Schaffens nur selten wahrgenommen wird. Doch nicht nur in der Literatur, auch in Spiel und Film begegnen geopolitische Motive auf Schritt und Tritt. Welche Bedeutung die Gegenwartskultur für die Wahrnehmung geopolitischer Zusammenhänge hat, beleuchtete der Dresdner Kulturwissenschaftler und Germanist Ulrich Fröschle in einem Vortrag am 22. November 2023.

In einer Hinführung zum Thema ging Fröschle zunächst auf den Wandel des Verständnisses von „Geopolitik“ ein, der in den letzten Jahrzehnten zu beobachten sei. Anders als die ältere Tradition operiere die heutige Geopolitik nicht mehr mit Versuchen, objektive Determinanten geopolitischen Denkens herauszuarbeiten (eisfreie Häfen, Meerengen usw.). Vielmehr unterscheide die „Kritische Geopolitik“ verschiedene Ebenen, auf denen geopolitische Entscheidungen fielen, namentlich Populäre Geopolitik (Massenmedien, Kino, Romane etc.), Praktische Geopolitik (Außenpolitik, politische Akteure etc.) sowie Formale Geopolitik (strategische Institute, Denkfabriken, akademischer Bereich). Sie alle zusammen zeichneten – bewußt oder unbewußt – die geopolitische Karte der Welt, die Grundlage sei für das verbreitete Bild von sich und anderen. Obwohl die „kritische Geopolitik“ einem marxistisch inspirierten Poststrukturalismus entstamme, sei sie doch hilfreich für ein differenziertes Verständnis der Lage.

Vor diesem Hintergrund widmete sich Fröschle zunächst populären Gesellschaftsspielen wie Risiko, Axis & Allies oder dem Internetspiel Power & Revolution. Sie zeigten exemplarisch, daß geostrategische Überlegungen niemals losgelöst vom eigenen geographischen Standort sowie dem eigenen politisch-strategischen Standpunkt betrieben werden könne. Ihre Wahrnehmung sei mithin zwingende Voraussetzung für eine realistische Geopolitik. Besonders deutlich werde das in Steffen Kopetzkys Roman „Risiko“ (2015). Kopetzky schildert darin eine Expedition der Reichswehr nach Afghanistan zu Beginn der Ersten Weltkrieges. Dabei setzt er sich über jeden geopolitischen Determinismus hinweg und bietet eine fiktionale, ahistorische Erzählung, die dezidiert aus deutscher Perspektive geschrieben sei. Eine weitere Brechung erfahre die Handlung dadurch, daß sich das namengebende, erst in den 1950er Jahren entwickelte Gesellschaftsspiel „Risiko“ als Schlüssel zur Handlung erweise. Kopetzky zeige dadurch die perspektivische Bindung allen geopolitischen Denkens und ziehe den Leser unweigerlich auf die Seite des deutschen Erzählers. Zudem würden die mit jedem Spiel verbundenen Aspekte von „Zufall“ und „Glück“ auch für historische Vorgänge greifbar.

Während Gesellschaftsspiele aufgrund der ihnen eigenen Regeln keine reale Rekonstruktion von Geopolitik zuließen, seien Film und Literatur aufgrund ihrer standortgebundenen Fiktionalität in der Lage, der Geopolitik neue Impulse zu geben. Es sei also lohnend, fiktionale Kunst verstärkt auf geopolitische Implikationen zu befragen, so Fröschle abschließend.

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