Warum der Kapitalismus den Konservatismus um seine Grundlagen bringt (mit Video)

Wolfgang Streeck über die politische Ökonomie des Konservatismus

Wolfgang Streeck bei der Diskussion

Wie steht es um das Verhältnis von Konservatismus und Kapitalismus? Der Soziologe Wolfgang Streeck hat in seinem Vortrag am 15. Juni 2023 in der BdK den Versuch unternommen, diese Beziehung vor dem Hintergrund der gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen zu skizzieren. Im Anschluß plädierte er für eine konservative Opposition gegen die technokratische Weltsicht.

Ausgangspunkt seines Impulsvortrages war die These, daß der Kapitalismus alle Traditionen, die der Konservatismus für ihn bewahre, entwerte und ihn dadurch zur Erfindung immer neuer Traditionen zwinge. Ein Wettlauf, den die Konservativen nicht gewinnen könnten. Folgt man Streeck, bedeutet dies konkret, daß der Konservatismus unfreiwillig Voraussetzungen schaffe, auf denen das kapitalistische Wirtschaftssystem für eine gewisse Zeitspanne bestens operieren könne. Im Endeffekt würden diese Voraussetzungen dann jedoch immer von der Logik des Kapitalismus aufgelöst werden. Eine Kooperation beider Weltverständnisse auf Augenhöhe könne es demnach nicht geben, am Ende bleibe immer die Wirtschaft der Nutznießer und nicht die Tradition. Dies sei beispielsweise bei Familienbetrieben der Fall, die unternehmerische Strukturen aufbauten, aus denen dann in der Nachkriegszeit starke internationale Konzerne werden konnten, die aber letztlich durch Börsengänge oder Verkäufe an Großinvestoren ihre familiäre Grundlage auflösten. Dieser Prozeß wurde nach Streeck bereits im „Kommunistischen Manifest“ als „schöpferische Zerstörung“ beschrieben, bevor der Begriff durch den Ökonomen Joseph Schumpeter bekannt wurde.

Ein weiterer Kritikpunkt Streecks war, daß sich der Konservatismus auf autoritäre, vorkapitalistische und vordemokratische Elemente konzentriert habe und diese als erhaltenswerte Traditionen bezeichnete, die jedoch zwangsläufig von den ökonomischen Entwicklungen überholt werden müßten. Einen solchen Zusammenhang sollten sich Konservative gerade dann vor Augen führen, wenn sie im Kapitalismus das ihm am nächsten stehenden Wirtschaftssystem sähen. Der Konservatismus müsse sich gegen die „große Beschleunigung“ wehren, die sich unter anderem in der Klimaerwärmung oder in dem Artensterben äußere, wenn er eine Zukunft haben wolle. Eine konservative Revolution solle sich demnach gegen die zerstörerischen Folgen dieser Wirtschaftsweise stemmen.

Streeck selbst stellte sich in diesem Zusammenhang zwar nicht auf die Seite einer konservativen Opposition, sah diese aber für die Zukunft des Konservatismus als notwendig an. Auch wenn er in seinem Vortrag darüber hinwegging, daß der Konservatismus sich nicht allein durch institutionelle oder wirtschaftliche Erscheinungen legitimiert, sondern vor allem in der Erhaltung einer geistigen, abendländischen Tradition, konnte er in seinem Vortrag einige blinde Flecken aufzeigen.

Sehen Sie hier den Vortrag in voller Länge:

Aus datenschutzrechtlichen Gründen benötigt YouTube Ihre Einwilligung um geladen zu werden. Mehr Informationen finden Sie unter Datenschutzerklärung.
Akzeptieren

Hören Sie den Vortrag jetzt unter anderem bei Spotify und bei Apple Podcast.

Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) ist ein Ort konservativen Denkens und Schaffens in Berlin. Sie dient gleichermaßen dem Sammeln und Erhalten konservativer Literatur, wie der Weiterentwicklung konservativen Gedankenguts durch Vorträge und Publikationen.

Mehr Informationen...

Kategorien