Zwei Wege und keine Synthese

Andreas Kinneging und Dušan Dostanić diskutierten das Verhältnis von Romantik und Konservatismus

V. l. n. r.: Dušan Dostanić, Wolfgang Fenske (Moderator), Andreas Kinneging

Ganz gleich, ob Caspar David Friedrich in der Malerei, Eichendorff in der Lyrik oder Schlegel in der Philosophie: der Geist der Romantik faszinierte schon immer konservative Gemüter und das Romantisieren scheint manchem bis heute ein geeigneter Weg, nationales bzw. konservatives Denken zu verbalisieren.

Doch wie konservativ war die Romantik wirklich? Und ist sie tatsächlich eine Option für Konservative? Diese Fragen diskutierten am 15. März 2019 Andreas Kinneging, Rechtsphilosoph an der Universität Leiden und führender konservativer Theoretiker der Niederlande, sowie Dušan Dostanić, Politikwissenschaftler am Institut für Politische Studien in Belgrad (Serbien) und Übersetzer deutscher konservativer Werke ins Serbische. Die deutsche politische Romantik gehört zu seinen Forschungsschwerpunkten.

In seinem Impulsreferat bejahte Dušan Dostanić die Leitfrage ohne Abstriche. Er skizzierte die Romantik als eine geistige Bewegung gegen Aufklärung, Individualismus und Rationalismus, deren zentrales Anliegen in der grundlegenden Kritik der modernen Vorstellung vom Menschen als eines autonomen, vernünftigen Subjekts bestanden habe. Dem ausdifferenzierten modernen Denken habe die Romantik ein traditionelles, universales Weltbild entgegengestellt, das auf eine umfassende „Einheit der Gegensätze“ gezielt habe. In ihr stellten Sichtbares und Unsichtbares, Mensch und Natur, Glauben und Wissen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine große Synthese dar, in der – im Gegensatz zur Moderne – auch die nichtrationalen und emotionalen Aspekte des menschlichen Daseins Berücksichtigung fänden. Diese Synthese sei jedoch nicht mit Kosmopolitismus zu verwechseln. Vielmehr verstehe die Romantik den Menschen im Zusammenhang seines Volks und seiner Nation, innerhalb deren die Synthese erst sichtbar werde. Die deutsche Romantik des 19. Jahrhunderts stehe damit in engem Zusammenhang mit anderen reaktionären Unternehmungen wie dem italienischen Humanismus und der französischen Klassik.

In seiner Erwiderung konzedierte Andreas Kinneging, daß es sich bei der Romantik zwar um eine gegenaufklärerische Strömung gehandelt habe, die sich gegen das Glückseligkeitsdenken und gegen den Utilitarismus wandte. Gleichzeitig – und eben das sei für Konservative ein Problem – habe sie sich gegen die Klassik und die durch sie überlieferte „zeitlose Ordnung der Dinge“ gestellt. Nicht das Einfinden in eine gegebene Tradition sei ihr Anliegen gewesen, sondern der Versuch, den einzelnen Menschen als (Neu-)Schöpfer und Künstler zur Geltung zu bringen. Authentizität und Originalität seien ihre Leitbilder gewesen, nicht die Nachahmung (imitatio) von Überliefertem. Auch die Bedeutung der römisch-katholischen Kirche für viele Spätromantiker widerspreche dem nicht: „Was war denn das für ein Christentum?“, so Kinneging rhetorisch. Es sei nichts anderes gewesen als eine ins Metaphysische geweitete Sehnsucht nach einem gemeinschaftlichen Ich (Rousseau: „moi commun“), die sich lediglich christlicher Motive bedient habe. Dementsprechend begegne der Romantiker als politischer Visionär und letztlich – Revolutionär. Von konservativem Denken sei er damit denkbar weit entfernt.

In der sich anschließenden Aussprache wurde unter anderem thematisiert, ob Kinnegings Ansatz eines an der antiken bzw. mittelalterlichen Tradition orientierten Universalismus nicht einem modernen Kosmopolitismus das Wort rede. Kinneging entgegnete, daß nicht die Nationalität bzw. Volkszugehörigkeit eines Menschen für die klassische Tradition entscheidend sei, sondern die Befolgung der Tugenden. Anders als Luthertum und Orthodoxie sei die römisch-katholische Kirche weltweit eine einzige Kirche; ihre Universalität sei durch die Jahrhunderte hindurch für die Tradition maßgeblich gewesen.

Ob ganzheitliche Modelle – wie sie die Romantik, aber auch die Klassik darstellen – in dem durch Individualismus und Subjektivismus bestimmten neuzeitlichen Selbstverständnis überhaupt anschlußfähig sind, blieb letztlich offen. So boten die Referenten ihren Zuhörern zwei alternative Sichten auf die Romantik, die zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema einladen.

Eine Aufzeichnung der Podiumsdiskussion finden Sie demnächst hier.

Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) ist ein Ort konservativen Denkens und Schaffens in Berlin. Sie dient gleichermaßen dem Sammeln und Erhalten konservativer Literatur, wie der Weiterentwicklung konservativen Gedankenguts durch Vorträge und Publikationen.

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